Reisetagebuch 27.03.2014

Entscheidungen - Tag 11 auf See

Wir hatten zwei kleine Konferenzen, es werden immer mehr. Erinnert mich ein bisschen an meinen letzten Arbeitgeber.

„Kommunikation“ wird an Bord groß geschrieben, und sie ist auch ein Punkt im Crew-Vertrag. Wir wollen offen und fair miteinander umgehen und klar kommunizieren – was bisher wohl auch ganz gut klappt. Aber letzten Endes ist jeder so, wie er ist, das ändert auch der beste Vertrag nicht.

 

Wachführer Jonathan hatte zur Besprechung gebeten, weil er wissen wollte, ob’s irgendwo Probleme gibt. Jeder sollte sagen, wie er den ersten Teil des Rennens findet. Ergebnisse: „JM“ und ich, die Neulinge, haben sich schnell und problemlos eingefügt und lernen täglich dazu. Ich konnte beim besten Willen keine Kritik raushören. Vielleicht ein wenig Ermunterung, nicht nachzulassen. Roser findet’s noch nicht racy genug, dazu sage ich erstmal nichts. Ich habe mir nämlich vorgenommen, nicht nur die Klappe aufzumachen, wenn es nötig ist, sondern sie auch mal zu halten. Und wenn wir nach drei Wochen auf See – also in zehn Tagen – weiterhin fit und engagiert sind, dann haben wir unsere Kräfte richtig eingeteilt. Das hier ist Marathon. Es ist ja auch nicht so, dass Vicky auf Segelwechsel verzichtet, wenn sie nötig sind. Wir verfallen aber auch nicht in Aktionismus.

 

In der anderen Besprechung hielt Vicky im Cockpit beim Mittagswachwechsel einen Vortrag über die Wetterlage. Vereinfacht ausgedrückt, haben wir zwei Optionen. Wir können eine etwas nördlichere Route A nehmen, die 250 Meilen kürzer ist als Route B, dafür aber durch ein „windhole“ führt, ein ausgedehntes Flautengebiet. Wenn wir das hinter uns haben, würde uns Tief „Chippy“ (bordinterner Name, nach einem ziemlich originellen und beliebten Crew-Mitglied) huckepack nehmen, eventuell aber auch mit Gegenwinden ärgern, je nach Zugbahn. „Chippy“ hat sich gerade bei Taiwan an einer Front des älteren Tiefs „Ben“ (bordinterner Name, nach einem ständig seekranken und für seinen Durchhaltewillen bewundertes Crew-Mitglied) gebildet. Bei Option B würden wir uns zuverlässig südlich der nächsten zwei Tiefkerne aufhalten, und müssten nur darauf achten, nicht in die Leichtwindgebiete des Hochs südlich von uns zu geraten.

 

Es ist also Wetterschach. Wir nehmen Route 2, haben gestern Nacht den Spi gesetzt (mein erstes Spi-Manöver auf dem Vorschiff eines Clipper 70) und rauschten mit Kurs 120 Grad durch die Nacht. Der Wind nahm ab, wir wurden langsamer, machen aber immer noch konstante Fahrt. Die Flucht vor dem „windhole“ scheint zu gelingen.

 

Dann gibt’s noch die Routine-Konferenzen. Bei jedem Wachwechsel gibt es eine Übergabe. Ein Mitglied der diensthabenden Wache erzählt der Neuen, welche Segel wir fahren (das sieht man ja nicht, wenn man im Dunkeln an Deck kommt) und auf welchen Winschen die diversen Schoten, Fallen, Preventer und Backstagen liegen oder eben nicht, und welche Segel einsatzbereit sind. Das „Cockpit-Handover“ ist eigentlich keine Konferenz, denn es entwickeln sich nie Diskussionen, aber ein Kommunikationsinstrument. Vicky und ihre Wachführer besprechen sich ebenfalls regelmäßig vor Wachwechseln, und sie will geweckt werden, falls sie gerade schläft.

 

Und dann gibt es noch einen Fall von Einbahnstraßen-Kommunikation: Harrys Blog. Ich habe inzwischen aber auf Umwegen erfahren, dass die Texte tatsächlich ankommen und erscheinen.

 

Jupp, lieber Harry, das tun sie :)

 

 

Den Race Tracker mit der aktuellen Position der „Switzerland“ sowie den anderen elf Teilnehmer-Booten findet ihr unter http://yb.tl/clipper2013-race10 und hier geht's zum vorherigen Artikel.