Erstmal ein paar gute Nachrichten, bevor wir uns dem Privaten widmen.
„Switzerland“ hat ihren ersten Punkt in einem scoring gate gemacht. Es ist noch nicht offiziell, aber PSP müsste 300 Meilen in 18 Stunden segeln, um uns den noch wegzunehmen. Wir liegen also auf dem 3. Platz.
Gestern zischten wir die meiste Zeit unter Spi dahin. Der Wind legte langsam zu, und als es schwierig wurde, erschien Vicky im Niedergang und signalisierte: Spi runter, Yankee 2 hoch, ein Reff ins Groß. Das ganze Manöver klappte absolut reibungslos, und es kam keine Minute zu früh. Als wir mit dem Reff fertig waren, wunderte ich mich, dass wir eben noch unter Spi unterwegs waren. So ein gut getimtes Manöver hat mehrere Vorteile: Es geht nichts kaputt, man verschenkt keine Meilen durch zu frühes Segelkürzen, und es macht Spaß, wenn alles klappt. Vor allem war es stressfrei, und fünfzehn Minuten später wäre es das nicht mehr gewesen.
Vorhin ist Jonathan in den Mast gegangen, um zwei gebrochene und verkeilte Rutscher zu reparieren. Letzten Endes mussten wir das Groß, das wir gerade erst gerefft hatten, komplett runternehmen, um die neuen Rutscher anzubringen. Ich steuerte und versuchte, möglichst gleichförmig die Wellen zu nehmen, damit Jonathan da oben nicht so hin- und hergeschleudert wird.
Ohne das Groß fehlt dem Schiff Druck gegen das Überholen nach Luv. Wir sind aber kaum langsamer: 9 statt 11 Knoten.
Während Jonathan, Greg und Doug den Kopf des Großsegels wieder sturmfest machen, hat sich Mona das Ende des Baums vorgenommen und näht einen neuen Sicherheitsstropp aus Gurtband an, der den Baum am Segel hält, falls das Tauwerk bricht. Vor zwei Tagen haben wir die Tackline des Spinakers ausgewechselt, die Schäden aufwies. Es wird ständig kontrolliert, repariert und erneuert – möglichst bevor es zu Bruch kommt.
Vince liegt mir seit Japan in den Ohren, ob ich nicht eine Möglichkeit hätte, seiner Freundin Eugenia einen Geburtstagsgruß zu schicken.
„Hast du eigentlich Internetzugang?“ fragte er.
Ich: „Nein, nur meine tägliche Sendung an Clipper.“ „Kannst du da nicht was machen?“ „Ausgeschlossen, das ist alles seriöse Reiseberichterstattung.“
Pause. Vince und ich reparieren weiter das vordere Klo. Wir lassen beim Zusammenbau einfach ein ringförmiges Teil weg, das uns überflüssig erscheint, kippen Öl ins Becken, und alles funktioniert wieder einwandfrei.
Ich: „Vielleicht mit einer versteckten Botschaft?“
Vince: „Wie soll das denn gehen?“ Er drückt mir die Ersatzteile und das Werkzeug in die Hand. Draußen an Deck fragen sie schon nach uns, es muss schon wieder gerefft werden.
Ich: „Na, ich schreib was in den Text rein, dass es so aussieht, als ob’s dazughört. Merkt dann keiner!“
Er nickt anerkennend, und wir ziehen uns wieder unser nasses Ölzeug an. An Deck sind Vince und ich das Mastteam, wie heute Vormittag schon. Meine Arbeitsbereiche sind Vorschiff beim Segelwechsel, Mastmann beim Reffen und Steuermann bei viel Seegang. Letzte Nacht verbrachte ich insgesamt vier Stunden am Ruder. Es war spannend, in absoluter Dunkelheit mit 17 Knoten eine Welle runterzusurfen und nichts zu sehen außer der Kompassrose und ein paar Instrumenten.
Alles in allem also zwei wunderbare, erfolgreiche Tage. Und irgendwas wollte ich noch er ledigen... Ach ja:
Eugenia, herzlichen Glückwunsch von deinem Liebsten!
Den Race Tracker mit der aktuellen Position der „Switzerland“ sowie den anderen elf Teilnehmer-Booten findet ihr unter http://yb.tl/clipper2013-race10 und hier geht's zum vorherigen Artikel.
Hans-Harald Schack ist Journalist und segelt. Er schreibt Magazin-Reportagen und Bücher, macht Lektorate und Übersetzungen. Mit dem Clipper Round The World Race segelte er von China nach San Francisco und durch den Panama-Kanal in den Atlantik. Sein Web-Log und Reportagen darüber gibt es als e-Book und als Buch: "Von Qingdao nach New York". Zur Zeit ist er mit dem 1971 gebauten S&S-Halbtonner "Topas" in Nordeuropa unterwegs. Das Schiff ist übrigens zu verkaufen!