Wir sind in der Nacht zeitweise Richtung Startlinie mit dem Motor gefahren, später dann aber gesegelt, weil’s fast genauso schnell ging. Wir blasen lang-kurz-kurz ins Nebelhorn, weil es mal mehr, mal weniger nebelig ist. Das Gelbe Meer, das hier etwa so gelb wie die Ostsee ist, zeigt sich von seiner gemütlichen Seite., bzw. zeigt es sich gar nicht. Auch die anderen Clipper-Racer sind unsichtbar. Wenn wir mal einen zu Gesicht bekommen, dann ist er trotz eingeschalteter Lichter erst auf zweihundert Meter zu sehen. Unter diesen Bedingungen ist ein Regattastart zwar möglich, aber nicht ratsam.
Die Fischer sind natürlich auch unsichtbar, aber sie und die Handelsschiffahrt sind da. Alle regulär ausgestatteten Schiffe kann man auf dem Automatic Identification System (AIS) sehen, das auf UKW den Schiffsnamen, die eigene Position, Richtung, Geschwindigkeit und noch ein paar weitere Informationen über den Absender an die Umgebung verbreitet. Das System hat immense Vorteile, aber auch ein paar Tücken. Wenn jemand es nicht hat (kleinere Fahrzeuge oder Sportboote) oder es nicht eingeschaltet hat, dann vermittelt es nur trügerische Sicherheit. Deshalb halten wir Ausguck (das ist sowieso Vorschrift) und geben Nebelsignale. AIS hat für uns noch einen weiteren Vorteil – wir wissen, wo die anderen sind.
Ich trage in dieser grauen Suppe die Neoprenhandschuhe, die meine Kinder mir geschenkt haben, sie sind fürs Rudergehen und für die Arbeit an Fallen und Schoten gleichermaßen geeignet. Meine Wollhandschuhe mit Thinsulate-Fütterung fühlten sich zwar eine Stunde lang wunderbar an, aber dann hatte der Nebel sie durchnässt.
Das Leben an Bord hat sich schnell eingespielt – kein Wunder, denn die meisten sind ja schon ein paar Etappen dabei. Es ist die normalste Sache der Welt, dass Männer, die morgens aus der Koje klettern, sich dabei mit den Füßen an der gegenüberliegenden Wand abstützen. Es ist normal, dass eine Schlafperiode günstigstenfalls drei Stunden beträgt – mit einer Ausnahme, in deren Genuss ich sofort komme.
Ich bin gleich am zweiten Tag „on mothers“. Alles läuft praktisch reibungslos, nicht zuletzt dank Doug, der mir morgens ein paar Tips gibt, und Aly, die sehr viel vorbereitet hat, unter anderem das Porridge. Jetzt gestern weiß ich, dass man Porridge mit Rosinen, Sirup und vor allem Zucker essen kann. Es ist reine Kraftnahrung, die sofort in Arbeit an Deck umgesetzt werden kann. Mittags gibt es Wraps aus dem Ofen und Salat. Dann backt Aly Cinnamon Rolls, Zimtröllchen. Ich mache abends in zwei Schichten vier Kilo Nudeln mit Pesto und gerösteten Pinienkernen (pine nuts, ich frage Greg irrtümlich, ob er ein paar Ananas, pine apples, auf die Nudeln haben will). Die Nudeln werden bis auf die letzte aufgegessen. Was die Steuerbordwache, die gerade aus den Kojen gestiegen war, übrig lässt, vertilgt die Backbordwache (port watch), und die hätten noch mehr geschafft. Gottlob gab’s noch die Cinnamon Rolls.
Ordentlich Backschaft gemacht, und dann geht’s in die Koje. 19 Uhr Bordzeit! Wenn ich mich um 23.15 Uhr schon wieder aus dem Schlafsack winden müsste, wäre das nicht viel, aber nach dem „mothers“-Tag hat man die nächste Wache frei und kann durchschlafen. Kommt mir ganz recht, denn ich habe mir in China offenbar eine Erkältung aufgehalst, ich huste und habe Kopfschmerzen.
Hier gehts zum vorherigen Artikel. Den Race Tracker mit der aktuellen Position der Switzerland sowie den anderen elf Teilnehmer-Booten findet ihr unter http://yb.tl/clipper2013-race10
Hans-Harald Schack ist Journalist und segelt. Er schreibt Magazin-Reportagen, Essays und Bücher, macht Lektorate und Übersetzungen. Mit dem Clipper Round The World Race segelte er von China nach San Francisco und durch den Panama-Kanal in den Atlantik. Sein Web-Log und Reportagen darüber gibt es als e-Book und als Buch: "Von Qingdao nach New York". Zur Zeit ist er mit dem 1971 gebauten S&S-Halbtonner "Topas" in Nordeuropa unterwegs. (Das Schiff ist übrigens zu verkaufen!)