Da bin ich wieder – gestern fiel der Blog leider aus, weil ich doch noch nicht auskuriert bin und jede freie Minute in der Koje verbracht habe.
Hunger hatte ich auch nicht. Doch unser weiser Doktor Doug sagte, ich solle was essen, Essen ist wichtig.
Die Nacht auf den 6. Tag auf See bescherte mir zwei Nachtwachen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Die erste Wache war einfach nur kalt, und da neben unserem Boot ein paar Kreuzseen explodierten und uns mit Wasser überschütteten, wurden meine Stiefel im Laufe eines Sitzbades von innen nass. Meine Füße wurden eiskalt, und die Finger in ihren nassen Handschuhen auch.
Es war gute Segelei durch mächtige Wellengebirge, das Meeresleuchten war schwächer als vor ein paar Tagen, aber es reichte, um bäulich-weiße Schaumteppiche aufs schwarze Wasser zu zaubern. Dazu ein strahlender Mond und ein sternenklarer Himmel mit großen dunklen Flecken – Wolken. Doug fragte, ob ich schon jemals bei solchen Wellen gesegelt bin. Nein, noch nie, und er auch nicht, außer auf „Switzerland“. Im Südatlantik und im Southern Ocean im früheren Verlauf des Rennens sei es manchmal ähnlich gewesen.
Zur nächsten Wache zog ich die eben noch nassen Stiefel mit trockenen dicken Strümpfen an – und sie waren ein warmes, gemütliches Paradies. Ich hatte vor der Reise Seestiefel ohne Futter gesucht, weil man das auf See nicht mehr trocken bekommt, und war auf die Gaiter-Boots von Musto gestoßen. Sie kosten nur halb so viel (179 Euro) wie die berühmten Le Chameau und sehen fast genauso aus. Eine super Investition.
Auf meine andere Ausrüstung komme ich bei Gelegenheit zu sprechen. Im Moment bin ich mit First-Layer-Hose und Second-Layer-Jacke bestens bedient. Für die wirklich kalten Streckenabschnitte kann ich noch aufrüsten.
Die zweite Wache begann also mit einer angenehmen (warmen) Überraschung und endete mit einiger Arbeit. Und plötzlich sind die Hände auch in feuchten Handschuhen nicht mehr kalt.
Die heutige Morgenwache war eine einzige Schinderei. Es ist kein Vergnügen, einen acht Meter langen Segelsack mit Yankee 1 übers Deck zu wuchten, das sperrige und brettharte Segel anzuschlagen und hochzuziehen („sweat it up“). Wir ackerten jedenfalls mehrere Stunden und waren nachher total kaputt. Und gingen mit zufriedenen Gesichtern nach unten.
Schon vor ein paar Tagen war mir durch den Kopf gegangen, dass wir hier zur See fahren, als sei’s die normalste Sache der Welt. Wir sind einfach an Bord gestiegen, fnden Arbeit vor, und waren von der einen auf die andere Stunde in einem Mikro-Universum ohne Landanschluss. Mit ist es erstaunlich egal, wo wir gerade sind. Irgendwo östlich von Japan, auf dem Weg nach San Francisco. Zu Hause in Deutschland habe ich jeden Tag den Fortschritt von „Switzerland“ mit dem Race-Tracker im Internet verfolgt. Hier lese ich nur die tägliche Standmitteilung von Lindsey, die unsere Regattabuchführung macht.
Die Schufterei und die Duschen heute morgen fanden bei strahlendem Sonnenschein statt. Jetzt lege ich mich bei strahlendem Sonnenschein noch für ein paar Stunden in die Koje. Bis hoffentlich morgen!
Den Race Tracker mit der aktuellen Position der „Switzerland“ sowie den anderen elf Teilnehmer-Booten findet ihr unter http://yb.tl/clipper2013-race10 und hier geht's zum vorherigen Artikel.
Hans-Harald Schack ist Journalist und segelt. Er schreibt Magazin-Reportagen und Bücher, macht Lektorate und Übersetzungen. Mit dem Clipper Round The World Race segelte er von China nach San Francisco und durch den Panama-Kanal in den Atlantik. Sein Web-Log und Reportagen darüber gibt es als e-Book und als Buch: "Von Qingdao nach New York". Zur Zeit ist er mit dem 1971 gebauten S&S-Halbtonner "Topas" in Nordeuropa unterwegs. Das Schiff ist übrigens zu verkaufen!