Die kühlen Breiten rufen

Switzerland Harry Schack ClipperRace

Wir segeln gerade hoch am Wind, viel Wind, auf die Windward Passage zwischen Kuba und Haiti zu und das Schreiben ist körperliche Arbeit. Ich hätte Lust Haitii zu schreiben, oder Haiiti, weil ich die korrekte Schreibweise – zwei Punkte auf dem I, da es als separater Vokal gesprochen wird – nicht hinkriege. (Vielleicht schafft es der gute editoriale Geist im Huintergrund, Franzi! Habe versagt und lasse es so^^) Als Journalist würde ich sagen: Wir segeln zwischen der juristischen Sonderzone Guantanamo links und dem vergessenen Katastrophengebiet rechts nach Norden.

 

Die Bahamas sind in ein wettertechnisch trickreiches Gebiet. Vor ein paar Jahren war ich schon einmal hier, da hingen wir zwischen den Bahamas und Cape Hatteras drei Tage in der Flaute und wurden von einem Schwarm bissigen Fliegen angegriffen, mitten auf dem Meer. Ich schwör!

 

Bevor wir Jamaika verließen, wurden wir gebeten, noch einen kurzen Fragebogen auszufüllen. Eine Frage lautete „Würden Sie wiederkommen?“ und eine andere „Würden Sie Jamaika Freunden empfehlen?“ Ich habe die erste mit Ja, die zweite mit Nein beantwortet. Der Fragebogen soll den Auswertern ja auch ein bisschen zu denken geben. Ich kann die Insel nur jenen Freunden empfehlen, die mich anschließend nicht beschimpfen und sagen „Wo hast du uns da denn hingeschickt!“ Freunden, die gute Musik und Rumgetränke und Preisverhandlungen mit den Einheimischen lieben. Die sich beim Anblick einsturzgefährderter, gleichwohl bewohnter Bruchbuden nicht unbehaglich fühlen. Vielleicht gibt es auch ein paar Resort-Hotels auf der Insel, da lebt sich’s dann wunderbar, aber außerhalb der Komfortinseln ist halt Alltag. Wunderbare Landschaft, liebe, sehr entspannte Leute, Reggae bis tief in die Nacht – ich freu mich schon aufs nächste Mal.

 

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, und deshalb verkneife ich mir jede voreilige Bilanz. Es sind noch rund acht Tage bis New York. Sechs, wenn wir viel Glück mit dem Wetter haben. Auf der Nordpazifik-Etappe fühlten wir uns schon fast am Ziel, als wir die 1000-Meilen-Marke erreicht hatten, für mich steht jetzt das Ende einer längeren Unternehmung ins Haus.

 

Die Round The Worlders werden weitersegeln, aber die sehen auch schon das Ende. Vor ein paar Tagen sagte Gordon zu mir: „Noch 72 Tage bis London.“ Aber das Rennen ist noch nicht vorbei, wir segeln gerade Race 13 von insgesamt sechzehn. In New York wird ein Schwung frischer „Leggers“ an Bord kommen, für die das Abenteuer gerade erst beginnt. „Schaue vorwärts, nie zurück“, lernte ich einst von einer weisen Frau. (Ich habe sie darauf geheiratet.)

 

Vor uns liegt, wie erwähnt, die Windward Passage. Wir haben uns über Nacht ein Match Race mit "Great Britain" geliefert, die uns ein paarmal auf die Pelle rückten, und es dann doch stundenlanger Trimmerei nicht schafften, an uns vorbeizukommen. Alle anderen Schiffe sind aber auch noch in Sicht. Bin mal gespannt, ob wir fehlerfrei nach New York kommen – dann könnte wieder ein guter Platz drin sein. Ich habe allerdings das Gefühl, dass einige insgesamt einfach etwas schneller als wir segeln.

 

Ich werde jetzt noch ein paar Tage lang meine Sachen in Ordnung und meinen Hintern trocken halten, Segel trimmen und noch einmal mother watch haben.

 

Das Rennen ist noch nicht vorbei!

 

Trotzdem fühle ich mich schon ein bisschen wieder zu Hause. Dabei sind es noch 1300 Meilen!

 

Den Race Tracker mit der aktuellen Position der „Switzerland“ sowie den anderen elf Teilnehmer-Booten findet ihr unter http://yb.tl/clipper2013-race11 und hier geht's zum vorherigen Artikel.