Eine Insel veliert gleich ein wenig von ihrem Charme, wenn die Einheimischen versuchen, die Touristen abzuzocken. Ich wollte heute eine Massage für meinen verspannten Rücken haben, und Frank, der „licensed Tour guide“, der immer durch unser Guesthouse streicht, wollte allein für die Taxifahrt dahin mehr haben als in Deutschland eine vernünftige Massage kostet. Ich habe das Unternehmen abgebrochen, und er war sauer.
Taxis haben keine Taxameter, man muss jeden Preis vor Fahrtbeginn aushandeln. Und auch dann kann man erwarten, dass die Fahrer für unvorhergesehene Ereignisse Zuschläge heraushandeln wollen. Es ist lästig, und man muss den unnachgiebigen Geizhals spielen.
Und wo wir gerade beim Nörgeln sind: Auch die Preisverleihung ging nicht völlig problemlos vonstatten. Es gab jede Menge Rum, aber erstmal nichts zu essen. Die Küche war mit der Anzahl der Gäste hoffnungslos überfordert. Manche tranken vor Hunger so viel, dass sie nicht mehr stehen konnten, als endlich erste Essenslieferungen die Buffets erreichten. Nachdem ich zweimal 30 Minuten Schlange gestanden hatte, schlug ich mich zur Essensausgabe an der Küche durch, wo ich einen Teller mit Huhn und einen Pfannkuchen ergatterte. Zwischendurch hatte ich erwogen, in der Stadt was zu essen, aber auch da muss man lange warten. Und außerdem mussten wir ja auf die Bühne.
Hin und wieder fiel ein tropischer Regenschauer, aber das hat niemanden gestört. Das Wasser war ja nicht salzig, sodass man die Sachen einfach wieder trocknen lassen konnte, und die Luft war warm.
Nachdem die Preise vergeben und das vorhandene Essen vertilgt war, trat eine Künstlerin auf, die 16 Instrumente beherrschte und sang, allerdings nicht sehr gut. Und dann kamen fünf alte Männer auf die Bühne und spielten eine Musikrichtung, die „Mento“ heißt und eine Vorstufe von Ska und Reggae ist. Die „Jolly Boys“ sind im Schnitt 85 Jahre alt und spielen phantasisch. Der Abend war gerettet, und er wurde noch besser, als die nächste Gruppe kam und die moderne Variante der jamaikanischen Stile mixte. „Rootz underground“ touren auch im Ausland, wer die Chance hat sie in Berlin oder in Roskilde (wo sie schon waren) zu hören, sollte das tun. Enttäuschung ausgeschlossen!
Ich wechselte zwischen Rum-Cocktails und Kaffee-Rum-Variationen (natürlich in Maßen!), das ist mir gut bekommen.
Der heutige Tag ist ein wenig wolkenverhangen und verregnet. Ich mache Aufräumarbeiten im Internet, lese und beantworte Mails und genieße es, einfach mal frei zu haben. Jetzt geh ich gleich mit Greg in die „Stadt“ was essen und Geld fürs Gasthaus holen. Morgen ist auch nochmal frei. Donnerstag fahren wir nach Kingston und essen mit dem Schweizer Generalkonsul, am Freitag gibt’s noch ein Sicherheitstraining zum Thema Feuer und Wassereinbruch an Bord. Es hat bei uns zwar nicht gebrannt, aber es war doch recht viel Wasser an Bord. Da wir das Desaster selbst verursacht hatten, gab’s einen Strafpunkt für uns.
Hans-Harald Schack ist Journalist und segelt. Er schreibt Magazin-Reportagen und Bücher, macht Lektorate und Übersetzungen. Mit dem Clipper Round The World Race segelte er von China nach San Francisco und durch den Panama-Kanal in den Atlantik. Sein Web-Log und Reportagen darüber gibt es als e-Book und als Buch: "Von Qingdao nach New York". Zur Zeit ist er mit dem 1971 gebauten S&S-Halbtonner "Topas" in Nordeuropa unterwegs. Das Schiff ist übrigens zu verkaufen!