Es gibt Lektoren für Sachbücher, für Belletristik, für wissenschaftliche Arbeiten und für das Aufspüren guter Geschichten. Manche Lektoren geben guten Texten den Feinschliff, manche sind penible Korrektoren (früher eine Aufgabe der Setzerei). Manche Lektoren sind Redakteure, Dokumentare, Juristen. Es gibt angestellte und Freie Lektorinnen und Lektoren, teure und billige. Die teuersten sind manchmal die, die man sich "gespart" hat. In einem Buch über gutes Schreiben habe ich die Formulierung "geeignete Lektoren" entdeckt. Mann muss nämlich den Richtigen oder die Richtige finden.
Ich selbst betrachte mich als Sparringspartner des Autors bei der Ideenentwicklung, als konstruktiven Kritiker des entstehenden Manuskripts und als Dienstleister beim Optimieren. Ich bin des Autors privater Typograph, Layouter und Korrektor. Was ich nicht mache: dem Autor die Arbeit des Erzählens und Schreibens abnehmen, obwohl es auch diese Dienstleistung gibt, und lesenswerte Geschichten, die eigentlich nur aufgeschrieben werden müssten. (Mach ich aber nicht, zumindest nicht im Lektorat, sondern höchstens als Schreibkraft.)
Im Lektorat liefere ich Input, aber das Werk bleibt hundertprozentig das des Autors oder der Autorin. Ein Lektor kann nicht schlechtes Deutsch in gutes verwandeln. Umständliches in leichter lesbares, gutes in besseres Deutsch - ja, das geht. Wobei ich Ausnahmen mache: es gibt hervorragende Reporter, die nicht gut schreiben können und auf Schreiber angewiesen sind, und Leute, die was zu sagen haben und gut schreiben, bloß nicht auf Deutsch. Denen stelle ich einfach meine Deutschkenntnisse zur Verfügung. Im ersten Fall wird das Lektorat zum Redigieren, im zweiten zum Übersetzerjob.
Kommt man ohne Lektor aus? Ja, natürlich. Wenn Sie das Handwerk des Schreibens und die verschiedenen Schritte der Print- oder Online-Produktion beherrschen, können Sie Ihr eigener Lektor sein. Aber Vorsicht, hier gilt ein Rezept Churchills übers Reden: Aufstehen, reden und, wenn man fertig ist, wieder hinsetzen. Und möglichst: was zu sagen haben. (Gegen dieses Rezept habe ich einmal verstoßen.)
Sie haben was zu sagen, und sie schreiben es auf. Und sie wollen ihr eigene Lektorin oder ihr Lektor sein. Dazu brauchen Sie Zeit, denn nur so gewinnen Sie Distanz zum eigenen Produkt, und die ist unbedingt nötig. Distanz macht kritikfähig. Wenn Sie einen Text zwei Stunden, zwei Wochen oder zwei Monate liegen lassen und dann erneut lesen, sehen Sie sofort, was gut oder schlecht ist. Für die Korrektur gibt es Programme (aber die denken nicht!), für den korrekten Bau wissenschaftlicher Publikationen gibt es ebenfalls Programme. Lassen Sie Ihre Texte immer von "geeigneten" Lesern gegenlesen, das ist schon das halbe Lektorat, und investieren Sie trotzdem in eine Lektorin oder einen Lektor. fürs Handwerkliche.
Ob es sich rechnet, müssen Sie selbst wissen.
Wenn Ihr Manuskript bereits weit gediehen und ziemlich gut ist, können Sie es einem seriösen Verlag anbieten. (Gehen wir mal davon aus, dass Sie keinen Agenten haben.) Wenn dieser Verlag es nimmt, dann haben Sie mit Ihrem Autorenvertrag die Lektorenleistung meistens mitgekauft. Es gibt aber inzwischen auch viele "Verlage", die dem Autor alle Rechte an seinem Werk abnehmen und ihm dafür – zusätzlich zur Leistung des Schreiben – die Korrektur und das Lektorat des Manuskripts aufbürden.
Lernen Sie aus den Fehlern anderer! (Ebenfalls ein Tip von Churchill.) Ich lese mit Respekt schlechte Bücher, denn aus denen lernt man mehr übers Schreiben als aus guten. Bei den guten merkt man kaum, dass man gerade hundert Seiten in einem Rutsch gelesen hat, und erst recht bemerkt man nicht, wie der Autor das Kunststück hingekriegt hat. Bei den schlechten hingegen stößt man ständig auf die Fehler, die man selbst vermeiden möchte. Viele "schlechte" Bücher sind allerdings nicht richtig schlecht, sondern haben nur Schwächen und Fehler, die zu beheben gewesen wären.
1. Auf Empfehlung. Wenn jemand, der ähnlich arbeitet wie Sie, Ihnen einen Lektor oder eine Lektorin für Ihr Projekt empfiehlt, dann ist das ein Gespräch wert.
2. Über den Verlag. Ihr Manuskript passt ins Verlagsprogramm, die Lektorin oder der Lektor ist dem Verlag verbunden, der Verlag übernimmt die Kosten – vermutlich die beste Lösung. Es sei denn...
3. Es sei denn, Sie wollen den Lektor in die Manuskriptarbeit einbinden, bevor Sie zu einem Verlag gehen. Dann hilft Google (Suchbegriff "Lektorat"), oder die Seite www.lektoren.de
Selbst wenn das Buch oder die Veröffentlichung nur für Sie selbst ist, oder höchstens noch für die Familie, oder die Freunde, den Verein oder die Kunden, oder die Nachwelt... Sie merken schon, selbst dann sollte es so gut wie möglich werden, und das heißt zunächst mal: lesbar. Ich kenne eine sehr umfangreiche Website, deren kompetenter Erzeuger mit Sarkasmus und Spitzen nicht spart, die aber niemand versteht, der die Szene nicht kennt. Der Autor hat bloß keinen, der ihm das regelmäßig sagt.
Setzten Sie sich ein Budget, der Lektor nennt Ihnen seinen Preis. Vermutlich nach Normseiten (1500 Zeichen), oder nach tatsächlichem Arbeitsaufwand. Auf alle Fälle wird er sich ansehen, was Sie bereits produziert haben, bevor er den Job annimmt.
Brauchen Sie einen Lektor auch, wenn Sie ein book on demand produzieren? Vermutlich ja, denn die Manuskriptqualität soll ja hoch sein. Aber die bekommen Sie, wie gesagt, mit entsprechendem Zeitaufwand auch selber hin. Ein book on demand erfordert aber mehr als ein gutes Manuskript. Typographie, Umbruch, Kürzungen, das Inhaltsverzeichnis und sprachpolitische Stilfragen sollten Sie – wenn Sie nicht selbst unfehlbar sind – einem Fachmann überlassen. Oder einer Fachfrau, denn es gibt so viele Lektorinnen wie Lektoren. Mindestens!
Letzten Endes bleibt es aber Ihr Buch, und Sie müssen voll dahinterstehen. Wenn die Arbeit des Lektorats Sie nicht überzeugt, müssen Sie leiden oder woanders hingehen.
Hans-Harald Schack ist Journalist und segelt. Er schreibt Magazin-Reportagen und Bücher, macht Lektorate und Übersetzungen. Mit dem Clipper Round The World Race segelte er von China nach San Francisco und durch den Panama-Kanal in den Atlantik. Sein Web-Log und Reportagen darüber gibt es als e-Book und als Buch: "Von Qingdao nach New York". Zur Zeit ist er mit dem 1971 gebauten S&S-Halbtonner "Topas" in Nordeuropa unterwegs. Das Schiff ist übrigens zu verkaufen!